Doch acht Monate später habe sich an der Praxis des regen Umschlags strahlender Fracht rein gar nichts geändert, ärgert sich Ute Bertrand von der Umweltschutzorganisation Robin Wood.139 Transporte mit radioaktiven Stoffen wie Uranerzkonzentrat und Uranhexafluorid hat es im laufenden Jahr schon gegeben, kaum weniger als 2014. Sie dienen im Wesentlichen der Versorgung von Atomkraftwerken mit Brennelementen.
Robin Wood fordert seit vielen Jahren, den Hafen für Atomtransporte zu sperren. Um Druck auf die Rot-Grünen zu machen, haben die Umweltaktivisten gestern im Rathaus etwa 4000 an Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gerichtete Protestnoten übergeben. Weil die Robin-Wood-Truppe dabei unerlaubt Transparente entrollte und Parolen rief, rückte die Polizei an und löste die Aktion auf. Verletzt wurde niemand.
„Wir fordern Olaf Scholz auf, öffentlich darzulegen, warum er seit Monaten nichts dafür tut, den Koalitionsvertrag umzusetzen und die Hafenwirtschaft zu einem Verzicht auf Atomtransporte zu bewegen“, sagte Robin Wood-Energiereferent Philip Bedall. In der rot-grünen Regierungsvereinbarung heißt es zum Thema: „Der Transport und der Umschlag von radioaktiven Stoffen aus Zwecken oder für Zwecke als Kernbrennstoff ist bundesrechtlich abschließend geregelt und kann deshalb von Senat oder Bürgerschaft nicht einseitig beschränkt werden. Die neue Regierung wird allerdings bei relevanten Unternehmen darauf hinwirken, im Wege der Selbstbeschränkung auf den Umschlag und seeseitigen Transport derartiger Stoffe im und durch den Hamburger Hafen zu verzichten.“
Im Klartext: Der Senat kann und will niemanden zwingen, auf das lukrative Geschäft zu verzichten. Er will aber an die Einsicht der Akteure appellieren.
In dem Protestbrief weist Robin Wood darauf hin, dass die Stadt über direkten Zugriff auf die Geschäftspolitik wichtiger Atomtransport-Firmen verfügt. So solle der Senat die städtischen Beteiligungen an der Reederei Hapag-Lloyd und am Umschlagbetrieb HHLA nutzen, um einen Ausstieg dieser Unternehmen aus dem Uran-Geschäft durchzusetzen, schreiben die Atomgegner.
Bertrand und ihre Mitstreiter warnen vor Gefahren für Leib und Leben der Hamburger, wenn mehrmals pro Woche strahlendes Material über den Hafen umgeschlagen wird und anschließend per Lkw und Bahn durchs Stadtgebiet rollt. Abschreckendes Beispiel sei das Großfeuer auf der „Atlantic Cartier“ im Mai 2013, die radioaktive Stoffe und Munition geladen hatte. Nur mit Glück war seinerzeit ein größeres Unglück ausgeblieben.
Nach Ansicht der Atomkraftgegner sollte sich Hamburg seine kleinere Hanseschwester zum Vorbild nehmen. Bremen hat 2011 sein Hafenbetriebsgesetz so geändert, dass radioaktive Transporte in den Bremischen Häfen untersagt werden können. Aus dem Hamburger Rathaus heißt es lediglich, die Gespräche mit Hafenfirmen dauerten an.