„Für nicht wenige in unserem Land [...] ist und bleibt der Muslim ein verkappter Sexist.“ Das sagte mit Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, kürzlich einer, der durchaus als Sprachrohr seiner Konfession gilt. Ein deutliches Zeichen gegen diese Wahrnehmung wollten nun Schutzsuchende aus verschiedenen Einrichtungen in Stade setzen.
Im Rahmen einer bundesweiten Aktion verteilten etwa 50 Asylsuchende – zahlreiche davon aus Stade-Hagen – am Dienstagnachmittag Rosen an Passantinnen in der Innenstadt von Stade. Sie wollen sich damit deutlich von den Vorfällen der Silversternacht distanzieren, bei denen Migranten in Köln und Hamburg Frauen mutmaßlich – teils auch sexuell – belästigt haben sollen.
Flüchtlinge verteilten 400 Rosen zusammen mit einem Flugblatt, das als Entschuldigung bei und als Solidarisierung mit den Frauen verstanden werden soll (die Botschaft im Wortlaut lesen Sie im Kasten). „Wir selbst haben nichts Schlimmes getan, aber es ist trotzdem wichtig, die Nachricht auszusenden, dass wir Flüchtlinge nicht alle gleich sind“, sagte der Organisator Ayman Allaham, 35, ein in Damaskus in Syrien geborener Palästinenser.
Die Stadt Stade genehmigte die Veranstaltung auf dem Pferdemarkt und unterstützte sie finanziell. „Eine super Aktion: Die Flüchtlinge haben fast alles selbst auf die Beine gestellt“, sagte der Fachgruppenleiter, Dr. Andreas Schäfer. Die Wahl sei auf gelbe Rosen gefallen, weil die Asylsuchenden der Ansicht waren, rote Rosen könnten von Frauen im Lichte der aktuellen Debatte als anzüglich begriffen werden.
Bei den Passantinnen in der Innenstadt fand die Aktion Anklang. „Sie beweisen damit Stolz und Mut, denn sie müssten sich keineswegs stellvertretend für jemanden entschuldigen“, sagte Dagmar Hinzemann aus Stade. „Das ist eine richtig nette Geste“, pflichtete ihr Berta Salvenmoser bei, die beiläufig von ihren durchweg positiven Erfahrungen berichtete.
Und dennoch: Aktuell gibt es neuen Zündstoff für die Diskussion. „Viele junge Muslime können nicht entspannt dem anderen Geschlecht begegnen. Das sind jedes Mal hochsexualisierte Situationen.“ Mit diesem kontroversen Zitat vom palästinensisch-israelischen Psychologen Ahmad Mansour titelte die „Süddeutsche Zeitung“ am vorigen Wochenende. Darüber prangte eine Grafik in schwarz-weiß, die zeigt, wie eine dunkle Männerhand einer Frau in den Schritt greift. Mit einer ähnlichen Bebilderung wartet das Magazin „Focus“ auf dem Cover der neuesten Ausgabe auf. Ist das noch neutrale Berichterstattung?
Nein, findet Ayman Allaham. Der Palästinenser und weitere Flüchtlinge aus Stade warnen davor, alle Muslime und Schutzsuchende wegen der Untaten in der Silversternacht unter Generalverdacht zu stellen. Ihrer Botschaft verliehen sie am Dienstag nicht nur mit Rosen und Flugblättern, sondern auch mit deutsch-arabischen Transparenten Nachdruck.
„Ein sehr hoher Anteil der Flüchtlinge in Deutschland ist mit derartigen Verhaltensweisen überhaupt nicht einverstanden“, sagt Allaham, der mit Frau und Kind in einer eigenen Wohnung in Stade lebt und neben einem Integrationskurs zurzeit ein Praktikum am Elbe-Klinikum in Stade macht.
„Wir erleben eine neue Dimension des Hasses gegen Muslime“, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime nach den Silvester-Vorfällen. Der braune Mob tobe in den sozialen Medien, sehe seine Vorurteile bestätigt und endlich die Chance, seinem Hass freien Lauf zu lassen. Auch aus diesem Grund standen Ayman Allaham und andere Flüchtlinge in der Innenstadt und verteilten Rosen an Passantinnen. Gelbe Rosen – wohlgemerkt.
Die Botschaft im Wortlaut
Wir alle waren sehr geschockt, als wir von den abscheulichen Dingen erfuhren, die in Köln und anderswo geschehen sind.
Wir, die palästinensischen und syrischen Flüchtlinge in Deutschland, missbilligen diese Taten sehr, die sich absolut von unseren Traditionen, unserer Religion und unserer Kultur unterscheiden.
Wir wollen versichern, dass diese Aktivitäten nur die Natur derer widerspiegelt, die diese Taten begangen haben. Dies dazu, um eine Entschuldigung an alle Deutschen auszusprechen, die so vieles für die Flüchtlinge tun und getan haben. Für die, die geflohen und nun froh sind, am Leben zu sein, dabei aber fast alles verloren haben.
Die Flüchtlinge wissen zu schätzen, was die Deutschen und die deutsche Regierung für sie getan haben, halten sich an die Regeln und beachten die sozialen und ethischen Kontrollen.
Wir respektieren dieses Land, seine Traditionen und seine Kultur. Frauen müssen gut behandelt und respektiert werden. Sie sind Blumen und verdienen Blumen.