„Das größte Problem ist die Verständigung“, sagt Hans Jarck. Die Kinder sind zwischen einem Jahr und zweieinhalb Jahren alt und haben ihre ganz eigene Sprache. „Da muss man sich richtig reinarbeiten.“ Doch neue Vokabeln waren nicht das einzige, was der ehemalige Samtgemeindebürgermeister lernen musste. „Windeln habe ich das letzte Mal vor 18 Jahren gewechselt“, sagt Hans Jarck und lacht. Der gelernte Erzieher und studierte Sozialpädagoge springt in der Steinkirchener Kindertagesstätte Schatzinsel ein, wenn Not am Mann ist.
Schon jetzt scharrt der 62-Jährige eine kleine Fangemeinde um sich. Kaum hat Hans Jarck das Bilderbuch in der Hand, springt Hennes an seine Seite. Gerade die Jungen seien begeistert vom neuen männlichen Erzieher in der Gruppe, berichtet seine Kollegin Anna Harms, die Hans Jarck unter ihre Fittiche genommen und alles erklärt hat.
„Ich kann mich auch unterordnen“, sagt der ehemalige Samtgemeindebürgermeister. Ihm bleibt in seinem neuen Job nichts anderes übrig. Denn seine Erzieher-Ausbildung liegt über 40 Jahre zurück. Es kann schon mal stressig werden, wenn die zwölf lebhaften Kinder in der einen Minute mit Bauklötzen spielen wollen und in der anderen das Feuerwehrauto interessanter ist. „Sie sind ständig auf dem Sprung, aber singen mögen sie alle sehr gerne.“ Ein Höhepunkt der Kinder war, als Hans Jarck seine Mundharmonika mitgebracht hatte, erzählt Anna Harms.
Doch nicht nur die Kinder sind glücklich über den Vertretungs-Erzieher. Anke Heinrich braucht die Unterstützung dringend. „Gerade für die Kleinsten, dort ist der Erzieherschlüssel höher.“ Erzieher und Erzieherinnen werden händeringend gesucht. „Es ist schön, wenn die Kinder die Vertretungskräfte kennen und eine Bezugsperson haben“, sagt Anke Heinrich.
Im Oktober 2014 hatte Hans Jarck seinen letzten Arbeitstag als Samtgemeindebürgermeister. Er hatte sich nach seiner Amtszeit nicht wieder zur Wahl gestellt und ging in Pension. Auch ehrenamtlich ist der 62-Jährige in verschiedenen Bereichen aktiv. Die Idee zu diesem ungewöhnlichen Jobwechsel hatte allerdings als erstes Pastor Olaf Prigge.
In Neuenkirchen musste die Leiterin vertreten werden. Als Hans Jarck gefragt wurde, ob er es sich vorstellen könnte, stimmte er zu. In der TAGEBLATT-Silvesterausgabe nannte Prigge ihn als seinen Menschen des Jahres. Auch, weil der ehemalige Samtgemeindebürgermeister keine Eitelkeiten an den Tag legte, begründete der Pastor seine Entscheidung. „Jeder Job hat seine Berechtigung. Hut ab vor den Krippenerziehern“, sagt Jarck. Der Schritt in die Steinkirchener Kita vom evangelischen Kindertagesstättenverband war nicht mehr fern.
Da Hans Jarck mit Anke Heinrich die Ausbildung zum Erzieher gemeinsam absolviert hatte, war die Neueinstellung nur noch Formsache. Zunächst fünf Wochen vertritt der 62-Jährige eine Kollegin. „Aber wir sind auch für die Zukunft im Gespräch“, sagt Anke Heinrich, die den Erzieher-Mangel deutlich spürt und sich über jede Vertretungskraft freut.
Ob Hans Jarck nun lieber Bürgermeister oder Erzieher ist, will er nicht beurteilen. Parallelen gibt es kaum: „Sie sind völlig unterschiedlich.“ Zumindest kürzer ist sein Tag nun. Wenn die Kinder nach dem Mittagessen alle schlafen, geht er nach vier Stunden Arbeit nach Hause. „Kaputt bin ich aber trotzdem“, sagt er und lacht.
Er hofft mit seiner Arbeit auch einen Anstoß zu geben: „Vielleicht gibt es noch mehr Erzieher, die inzwischen Zuhause sind und sich vorstellen könnten, gelegentlich in einer Kita zu arbeiten.“