Viele Jahre lang hat die Konstruktion ganz gut funktioniert: Der Landkreis Stade betreibt sein Abfallwirtschaftszentrum Buxtehude-Ardestorf an der östlichen Kreisgrenze auf dem Gebiet des Landkreises Harburg in der Gemeinde Neu Wulmstorf, dafür dürfen die Bürger aus dem nordwestlichen Landkreis Harburg, sprich die Neu Wulmstorfer, die Anlage vor ihrer Haustür mitnutzen und müssen keine langen Wege zu den Annahmestellen des Kreises Harburg in Todtglüsingen oder in Nenndorf fahren.
Damit soll nun Schluss sein: Der Landkreis Stade will zum Jahresende die Vereinbarung über die Annahme von Grün-, Gehölz- und Siedlungsabfällen zwischen den beiden Landkreisen kündigen. Den Vorstoß, mit dem sich der Ausschuss für Regionalplanung und Umweltfragen des Stader Kreistags am Mittwoch, 25. Mai, befassen wird, begründet die Verwaltung mit den Grünabfallmengen, die – vor allem aus dem Kreis Harburg – in Ardestorf angeliefert werden. Diese seien in den vergangenen Jahren stetig gestiegen und liegen mit 12 000 Tonnen im Jahr 2015 inzwischen deutlich über den 9650 Tonnen Grünmüll pro Jahr, für die die Ardestorfer Anlage vom Gewerbeaufsichtsamt zugelassen ist.
Wegen der ständig wachsenden Menge sei es auf Dauer nicht möglich, die zulässige Menge einzuhalten, argumentiert die Verwaltung. Erschwerend komme hinzu, dass der Kreis auch auf dem aus den organischen Abfällen gewonnenen Kompost sitzen bleibt, weil die Bürger ihn nicht entsprechend nachfragten. Weil allein 4000 Tonnen und damit ein Drittel des in Ardestorf angelieferten Grünmülls mit WL-Kennzeichen ankommt, schlägt die Verwaltung vor, den Vertrag mit dem Kreis Harburg zu kündigen, um die Menge um 4000 Tonnen zu reduzieren und damit wieder unter die 10 000-Tonnen-Grenze zu drücken. Dass der Anteil des Grünabfalls aus dem Kreis Harburg im Verhältnis so groß ist, dürfte auch der Tatsache geschuldet sein, dass die Bürger im Landkreis Harburg auf Basis eines Kreistagsbeschlusses seit jeher ihren Grünabfall kostenlos an den Annahmestellen abgeben dürfen.
Die CDU hatte das gegen die Kritik der Grünen immer wieder durchgesetzt, um die Besitzer großer Grundstücke im grünen Kreis Harburg mit seinem großen Baumbestand nicht über Gebühr zu belasten. Die Stader hingegen müssen für ihren angelieferten Grünabfall 4,90 Euro pro Kubikmeter zahlen.
Die Kündigung der Vereinbarung würde bedeuten, dass der Landkreis Harburg Ardestorf nicht nur für den Grünabfall, sondern gar nicht mehr nutzen darf, bestätigt Heiko Köhnlein, Leiter des Stader Kreisumweltamtes auf TAGEBLATT-Nachfrage – auch nicht für Abfälle wie Bodenaushub, Sperrmüll oder Bauschutt, für die auch die Harburger bisher in Ardestorf Gebühren zahlen.
Vor Ort in Neu Wulmstorf löst das Aussperr-Ansinnen aus Stade wenig Begeisterung aus. Aus Sicht des Landkreises Stade sei es verständlich, für die Neu Wulmstorfer eher nicht, sagt Landkreis-Sprecher Johannes Freudewald. „Wir werden versuchen, für die Neu Wulmstorfer eine Lösung zu finden, die ihnen weite Wege erspart“, kündigt Freudewald an. Wie die aussehen könnte, sei allerdings noch völlig offen.
Harburgs Vize-Landrat Heiner Schönecke, der das Aussperren der Neu Wulmstorfer „unglücklich“ findet, hat schon Ideen. Den Bürgern sei kaum zu vermitteln, dass sie die Anlage vor ihrer Haustür nicht mehr nutzen dürften und stattdessen weite Wege nach Tostedt oder Nenndorf fahren müssten, weiß der Christdemokrat. Er würde sich sehr freuen, wenn sich beide Kreise einigen könnten auf der Deponie auf dem Gebiet des Landkreises Harburg. Vielleicht könnten auf dem Gelände am abgesperrten Immenbecker Kirchweg Container aufgestellt werden, in denen der WL-Abfall getrennt gesammelt wird, und Harburg könnte diese Container dann alle zwei Wochen abholen, regt Schönecke an: „Wir sind doch direkte Nachbarn, und ich gehe davon aus, dass sich da ein Weg findet.“