Ein Wechsel in die Bundespolitik schließt die 41-Jährige übrigens nicht aus. Von Barbara Glosemeyer und Markus LorenzFrau Suding, Sie sind eine medienpräsente Persönlichkeit und lassen sich im Wahlkampf schon mal mit FDP-Kolleginnen als einer von „Drei Engeln“ ablichten. Wie viel Marketing braucht es in der Politik?Katja Suding: Demokratie ist darauf angelegt, dass man seine Positionen zur Debatte stellt. Das geht vor allem über mediale Präsenz. Da hilft es natürlich, wenn man als Person Aufmerksamkeit findet und Anlässe schafft. Wir haben in der Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag 2013 schmerzlich erfahren, dass der FDP die mediale Präsenz weitgehend weggebrochen ist. Ohne die Bühne Bundestag ist es sehr schwer, mit den Bürgern in den Dialog zu kommen.
Wollen Sie selbst von Hamburg in den Bundestag wechseln?Ich werde im Sommer sagen, ob ich kandidiere.
Ein Dementi hört sich anders an.Die Entscheidung ist noch offen.
In Hamburg sitzen Sie in der Bürgerschaft. Macht Opposition Spaß?Ich habe nach der Bürgerschaftswahl 2015 kein Hehl daraus gemacht, dass wir gern mit Olaf Scholz über eine Regierung gesprochen hätten. Aber er hat sich anders entschieden. Wir nehmen die Rolle der Opposition an und erfüllen sie sehr gut. Und auch ganz gern.
Was ist Ihr Hauptkritikpunkt an Rot-Grün?Diese Lethargie nach der gescheiterten Olympiabewerbung. Verbunden damit, dass sich der Senat komplett aus dem Dialog mit den Bürgern verabschiedet hat. Die großen Herausforderungen, vor denen Hamburg steht, werden nicht angegangen.
Zum Beispiel?Am deutlichsten wird das bei der Flüchtlingsunterbringung. Es gibt kaum ein Bundesland mit einem so großen Bürgerwiderstand gegen die Pläne für Großunterkünfte. Diese Mischung aus Lethargie und Dialogverweigerung sehen wir auch beim Hafen, in der Finanz- und in der Justizpolitik.
Trotzdem steht Rot-Grün in Umfragen gut da, allen voran Bürgermeister Olaf Scholz. Warum sind die Hamburger zufrieden mit der Stadtregierung?Ich höre in vielen Gesprächen inzwischen eine völlig andere Bewertung. Die Wertschätzung für den Bürgermeister ist seit etwa einem Jahr deutlich eingebrochen. Man hört plötzlich Kritik an schlechtem Regieren, die es in den vier Jahren SPD-Regierung zuvor so gut wie nicht gab.
Halten Sie Olaf Scholz für amtsmüde?Ich glaube, die Herausforderungen sind größer als in den Jahren zuvor, Stichwort Flüchtlingskrise. Zum anderen ist Olaf Scholz auch längst nicht mehr so präsent in der Stadt wie früher und räumt der Hamburger Politik inzwischen zu wenig Bedeutung ein. Er spricht jetzt lieber über die große Weltpolitik und versucht, die SPD zu retten.
Der Hafen steckt in der Krise. Schwimmen Hamburg die Felle davon?Das ist sehr bedrohlich. Auch da herrscht Tatenlosigkeit, Scholz und sein Wirtschaftssenator schauen der Entwicklung nur zu.
Hafenausbau, der Bau von Wohnungen und Flüchtlingsunterkünften verschärfen den Konflikt um die raren Flächen. Wie wichtig ist der Hamburger FDP das Grün in der Stadt?Das ist uns sehr wichtig, deshalb wollen wir auch, dass mehr innerstädtisch verdichtet wird. Zugleich sollte der Bürgermeister aber auf Bundesebene endlich dafür sorgen, dass Hamburg weniger Flüchtlinge aufnehmen muss. Er rühmt sich doch immer seines bundespolitischen Einflusses, nun muss er den auch mal nutzen. Die Verteilung von Flüchtlingen nach dem Königsteiner Schlüssel muss ein Ende haben, es stellt wegen fehlender Flächen insbesondere die Stadtstaaten vor gewaltige Probleme.
Die Flächenländer sind aber nicht bereit, Hamburg Flüchtlinge abzunehmen.Das ist kein leichtes Thema. Gerade deshalb muss Herr Scholz darauf hinwirken, dass sie es dennoch tun. So kann es jedenfalls in Hamburg nicht weitergehen. An gelingender Integration sollte allen gemeinsam etwas liegen.
Wir dachten immer, die Hamburger FDP will die wachsende Stadt.Das tut sie auch. Aber der Zuzug von Flüchtlingen erhöht das Wachstumstempo eben noch weiter. Wir müssen darauf achten, dass die Stadt nicht überfordert wird. Übrigens fehlt es auch an Gewerbeflächen. Da geht fast nichts mehr, so dass viele Betriebe beispielsweise Schleswig-Holstein als besseren Unternehmensstandort sehen.
Die Sportstadt Hamburg kassiert einen Nackenschlag nach dem anderen. Was läuft schief?Die Entscheidungen für den Rückzug der HSV Handballer, der Freezers und der Aurubis-Volleyballerinnen haben private Investoren getroffen. Darauf hat die Politik keinen Einfluss und sollte sie auch nicht haben. Ganz anders ist es bei der Entwicklung des Breiten- und Vereinssports. Da stellen wir fest, dass nach dem Olympia-Aus völlig die Luft raus ist. Über die hochfliegenden Pläne zur Sanierung von Sportanlagen redet plötzlich keiner mehr.
Angela Merkel, Malu Dreyer, Hannelore Kraft − sind Frauen womöglich die besseren Spitzenpolitiker?Natürlich gibt es sehr kompetente Frauen in der Politik, genauso wie es fähige Männer gibt. In der Spitzenpolitik ist es egal, ob Mann oder Frau. Entscheidend sind Führungsqualitäten.
Ist es in der Politik ein Vor- oder Nachteil, Frau zu sein?Es kann beides sein. Es gibt bestimmte Situationen, in denen es bei mir ein Nachteil war.
Zum Beispiel?Ich musste am Anfang viel härter arbeiten, um wahrgenommen und ernst genommen zu werden. Da hatte ich es sicher schwerer als ein Mann. Auf der anderen Seite bekommen wir als Frauen mehr Aufmerksamkeit als mancher männlicher Kollege. Das ist ein Vorteil.
Wie hilfreich ist es dann, wenn man wie Sie im TV Bein zeigt und ein Tagesschau-Kameramann gleich ausflippt?Ich habe kein Bein gezeigt, sondern saß in einem knielangen Rock anständig in einem Sessel. Ein langsamer Schwenk über meine Beine hat bei vielen Zuschauern für Empörung gesorgt – natürlich über die Tagesschau-Redaktion.
Hilfreich oder nicht?Das ist zwar ohne mein Zutun so passiert, aber natürlich schafft es am Ende Aufmerksamkeit. Ich habe angemessen darauf reagiert, und damit war es für mich erledigt.
Sie praktizieren ein relativ ungewöhnliches Familienmodell. Ihre beiden Söhne leben nach der Trennung bei ihrem Mann. Werden Sie dafür manchmal komisch angeguckt?Ganz selten. Wenn überhaupt, dann waren es ältere Männer, die das mal kritisiert haben. So ungewöhnlich ist das Modell ja nun auch wieder nicht.
Sie sind im Sternzeichen Steinbock geboren. Steinbock-Frauen gelten als kampfeslustig, erfolgsorientiert und diszipliniert. Aber manchmal auch als zögerlich. Welche Eigenschaft haben wir vergessen?Zögerlich bin ich nicht. Aber zielstrebig.
Mit dem Kopf durch die Wand?Wenn ich ein Ziel habe, kann ich schon sehr viel Energie entwickeln. Anders hätten wir den Wahlkampf 2015 nicht erfolgreich geschafft.
Zur Person
Katja Suding wurde am 30. Dezember 1975 in Vechta geboren. Sie studierte Kommunikations- und Politikwissenschaften sowie Romanistik an der Universität Münster. Von 2004 bis 2010 war sie freiberufliche PR- und Kommunikationsberaterin in Hamburg. 2006 trat Suding in die FDP ein. Seit 2011 ist sie Vorsitzende der FDP-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft. Am 15. Mai 2015 wurde sie ohne Gegenkandidaten mit 85,6 Prozent der Stimmen zu einer der drei stellvertretenden Bundesvorsitzenden der FDP gewählt. Suding lebt von ihrem Ehemann getrennt, mit dem sie zwei gemeinsame Söhne hat. Sie ist mit Udo Riglewski liiert und lebt im Hamburger Stadtteil Groß Flottbek.