Ungewöhnlich viele Menschen empfing das Niedersächsische Landesarchiv in Stade am Sonntag. Schon in der ersten Führung interessierten sich 40 Menschen für das, was sich hinter der – einem Buchrücken-Regal nachempfundenen – Ziegel-Metall-Fassade des Neubaus Am Staatsarchiv 1 in Stade verbirgt.Von Sabine Lohmann und Sabine Lepél
Bauprojektleiterin Diplom-Ingenieur Martina Kormann führte die Besucher durch das Archivgebäude und schilderte anschaulich die Besonderheiten dieses „bundesweit einzigartigen“ Bauwerks. Der moderne Archivneubau, 2014 in Betrieb genommen, hat 14,3 Millionen Euro gekostet und beherbergt Grundbücher und Akten für Nordostniedersachsen und die Hansestadt Hamburg.
Aus drei Bereichen besteht der Neubau: dem öffentlichen Verwaltungstrakt mit dem Lesesaal im vorderen Teil, dem halböffentlichen Bereich mit Werkstätten und dem fensterlosen, rund 20 Meter hohen Kubus mit dem Archivalien-Lager. Das gleichmäßig temperierte Magazin mit 20 Kammern auf fünf Etagen und 5400 Quadratmeter Fläche bietet Platz für 50 Regalkilometer und optimale Bedingungen zum Schutz der Archivalien. Das Besondere: Dank der Bautechnik erreicht der Archiv-Turm mit seinem geschlossenen System und 90 Zentimeter dicken Wänden den Passivhaus-Standard. Eine Heizung hat der Kubus nicht, mit einer modernen Lüftungsanlage wird der Luftausgleich intern gesteuert. Das Raumklima ist dennoch mit 15 bis 18 Grad und mit 45 bis 60 Prozent Luftfeuchtigkeit stabil; Schwankungen gibt es nicht. Energie gewinnt das Haus dank der 80 (von 300) Bohrpfähle durch Geothermie (Erdwärme).
Um Fragen nach dem Sicherheits- und Brandschutzkonzept, der Dokumenten-Auswahl und der Nutzung von Archivalien zu beantworten, standen auch Archivdirektorin Dr. Gudrun Fiedler, ihr Stellvertreter Dr. Thomas Bardelle und Haustechniker Frank Czeczine bereit. Dass nur zwei (von elf) Mitarbeiter Zutritt zum hermetisch abgeschlossenen Magazin haben, erfuhren die Besucher. Und dass Bücher anders riechen als kartonierte Akten – und Hamburg anders als Niedersachsen. Im mit gelbem Linoleum ausgelegten Lesesaal erfuhren sie, dass jeder Bürger die wertvollen Dokumente, dauerhaft verwahrte Akten, Grundbücher und Karten, zum Beispiel für Ahnenforschung nutzen kann. Im „Lesegarten“ wurden die Besucher von Landschaftsgärtnerin Karin Kuttner auf eine lange Tafel mit zwölf Sitzplätzen aufmerksam gemacht. Symbolisiert werden damit die Landkreise, für die das Staatsarchiv zuständig ist; der 13. Platz bleibt „als Geste des offenen Hauses“ frei.
Während der Andrang beim „Tag der Architektur“ in Stade groß war, hielt er sich in Buxtehude in bescheideneren Grenzen. Knapp 20 Interessierte kamen zu der von Kunsthistorikerin Claudia Rasztar angebotenen Führung zur Backsteingotik. Die Besucher überraschte vor allem eines: wie wenig Gebäude es aus dieser Zeit in der Hansestadt Buxtehude noch gibt. Denn die Stadt ist ja Mitglied der „Europäischen Route der Backsteingotik“. Echte Backsteingotik findet sich in der Hansestadt lediglich noch zweimal: „Zu diesem Baustil zählen nur die St.-Petri-Kirche und das Bürgerhaus“, sagte Claudia Rasztar. Deshalb konzentrierte sie ihre Führung auf das weithin sichtbare Wahrzeichen. Die ab 1296 errichtete St.-Petri-Kirche gilt als eindrucksvolles Beispiel dieser glanzvollen Epoche der Hansezeit. Die Entwicklung der Backsteingotik ist eng mit dem Entstehen und der Ausbreitung der Hanse zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert verknüpft. „Während andere Landstriche auf Tuffstein oder Sandstein zurückgreifen konnten, musste der Backstein erst einmal aus Lehm gebacken werden“, berichtete sie. Die Kirche besteht aus rund vier Millionen Backsteinen. An der Nordseite sind noch Originalsteine aus dem 13. Jahrhundert zu sehen.
Auch Führungen im Gasometer in Stade und im Natureum Niederelbe in Balje wurden am „Tag der Architektur“ geboten.