Angesiedelt hat er sich mit seiner Landarztpraxis nur, weil ihn die guten Rahmenbedingungen gelockt haben. Ein Verdienst vor allem von Bürgermeister Uwe Arndt.In der Gemeinde Ahlerstedt, die zur Samtgemeinde Harsefeld gehört, drohte eine massive Unterversorgung mit Ärzten. Aus Altersgründen sollte eine Hausarztpraxis geschlossen werden. Bei Bürgermeister Uwe Arndt schrillten daraufhin die Alarmglocken: „Wir konnten nicht einfach abwarten und nichts tun, sondern mussten agieren.“
Zwar gab es auf Samtgemeindeebene eine Arbeitsgruppe, die sich mit dem Thema Arztversorgung auf dem Lande beschäftigte, aber Arndt nahm die Sache für seine Kommune lieber selbst in die Hand und ging auf die Suche nach einem Arzt. Im engen Kontakt stand er dabei auch mit der Kassenärztlichen Vereinigung. In der Zeit von 2013 bis 2015 sprach der Bürgermeister mit insgesamt neun Ärzten. Schließlich landete er einen Treffer. Dr. Matthias Parpart hatte früher schon einmal in Harsefeld praktiziert und wollte gerne in die Region zurück. Arndt kannte den Mediziner noch, er war sein Patient.
Für Parpart mussten aber die Rahmenbedingungen stimmen. Er brauchte angemessene, moderne Praxisräume. Dafür sorgte dann Arndt. Er überzeugte einen Bauunternehmer aus dem Nachbardorf, einen Neubau mit Praxis und einigen Wohnungen zu bauen und an Partpart zu vermieten. Denn für den Arzt stand fest: „Ich wollte nur mieten und gleichzeitig Einfluss nehmen können auf die Planung.“ Ein passendes Grundstück im Ortszentrum war auch schnell gefunden. Die Praxis ist so groß, dass Parpart später eine Gemeinschaftspraxis in den Räumen errichten könnte. „Das ist ein zukunftsfähiges Modell“, sagt der Mediziner.
Nur weil eben diese Rahmenbedingungen stimmten, sei er gekommen, sagt Parpart. Für die Einrichtung der Praxis bekam er zudem noch Zuschüsse aus einem Landesprogramm und von der Gemeinde Ahlerstedt. „Wir Kommunen müssen uns eben kümmern und die bestmöglichen Rahmenbedingungen schaffen. Von alleine läuft das nicht“, sagt Bürgermeister Arndt.
Für Parpart ist die Praxis schon nach wenigen Monaten gut angelaufen, sogar besser als kalkuliert. Vielleicht liegt das auch daran, dass er in der Zeit von 1987 bis 1999 in Harsefeld praktiziert hatte und bekannt war. Er wollte danach etwas anderes ausprobieren und machte Station in Nigeria, arbeitete dann kurz als angestellter Arzt in einer Klinik. In den vergangenen acht Jahren hatte der Allgemeinmediziner eine Praxis in Neustrelitz. Weil seine Frau wieder in die Region wollte, schaute er sich gezielt um und stieß schließlich auf Ahlerstedt.
Parpart spart nicht mit Kritik an der Gesundheitspolitik und der „Übermacht der Krankenkassen“. Nicht mehr die ärztliche Heilkunst für den Patienten stehe im Vordergrund, sondern undurchschaubare und ungerechte Abrechnungssysteme, Kosten und Bürokratie, so der Landarzt: „Am Ende kommt die Versorgung der richtig Kranken zu kurz.“ Er wünscht sich mehr Transparenz bei den Kosten. Für sinnvoll hält er mit Blick auf die Vollkasko-Mentalität vieler Menschen auch eine angemessene Selbstbeteiligung der Patienten.
All diese Bedingungen machten den Arztberuf nicht gerade attraktiver. Wenn sich hier nicht grundlegend etwas ändere, werde es immer schwieriger, Nachwuchsmediziner zur Selbstständigkeit zu bewegen – und das gelte erst recht für Landarztpraxen.
Die vergebliche Nachfolger-SucheBeispiel Dr. Dahl: Praxisschließung in Freiburg
Jörn Dahl war mehr als drei Jahrzehnte Hausarzt in Freiburg, fand aber keinen Nachfolger.FREIBURG. Dr. Jörn Dahl liebt das Landleben. Deshalb zog es ihn auch in den 1970er Jahren nach Freiburg an die Elbe. Als er mehr als drei Jahrzehnte später für seine Landarztpraxis einen Nachfolger suchte, musste er eine traurige Erfahrung machen: Dahl fand keinen Mediziner, der seine Praxis weiterführen wollte und musste vor einigen Jahren den Betrieb schließen.Die Idee, dass seine Arztpraxis am Ende noch etwas Geld abwerfen könnte, hatte Dahl längst aufgegeben. Früher sahen viele Ärzte ihre Praxis als zusätzliche Altersversorgung und konnten Einrichtung und Patientenkartei verkaufen. Dahl versuchte alles, um einen Nachfolger zu finden. „Ich habe natürlich die Kassenärztliche Vereinigung eingeschaltet und auch in allen einschlägigen Internetforen nach einem Mediziner gesucht, der nach Freiburg gehen wollte“, erzählt der Landarzt, der heute noch in Freiburg lebt. Seine Praxisräume hat er mittlerweile zu Privaträumen umfunktioniert.Geworben hat er damals mit dem Spruch: „Wenn Arzt, dann Landarzt.“ Ein junger Kollege hätte ein gutes Auskommen und ausreichend Patienten gehabt, sagt Dahl. Seine Praxis sei zeitgemäß eingerichtet und auch mit modernen Geräten ausgestattet gewesen: „Da gab es keinen Investitionsstau.“ Am Ende hätte er alles verschenkt und die Patientenkartei obendrauf gelegt. Aber alle Bemühungen fruchteten nicht. Einmal hatte er einen Interessanten, der zuletzt auf Teneriffa gelebt hatte. Kurz vor der Übernahme machte der Interessent doch einen Rückzieher.Ihm sei es vor allem um die Patienten und auch um seine Mitarbeiterinnen gegangen, erzählt der Pensionär. Seine Patientenkartei habe er dann an den heute noch in Freiburg praktizierenden Kollegen Hans-Michael Penzler übergeben. Der habe zum Glück auch eine Sprechstundenhilfe übernommen.Dahl erinnert sich an Zeiten, in denen es in Nordkehdingen – verteilt auf mehrere Gemeinden – sechs Arztpraxen und sogar noch das kleine Krankenhaus gegeben hat. Im Freiburger Krankenhaus begann übrigens auch die Freiburger Zeit des jungen Arztes Dahl, der von Bad Hersfeld in Hessen nach Freiburg kam. Nach insgesamt neun Jahren als Krankenhausmediziner in verschiedenen Häusern eröffnete er 1978 seine eigene Praxis in Nordkehdingen. Heute gibt es in der Samtgemeinde übrigens nur noch drei Arztpraxen – eine im Zentralort Freiburg, eine in Wischhafen und eine in Balje.Bis zu seinem 67. Lebensjahr ist Dahl als Landarzt aktiv gewesen. Er hat seinen Beruf und das Landarztleben geliebt. Umso mehr bedauert er es, dass heute so schwer Nachwuchsmediziner zu finden sind, die eine Landarztpraxis übernehmen wollen. (pa)
Die Hussmanns sind Landärzte in der dritten GenerationBeispiel Dr. Jörn Hussmann: Der 40-Jährige folgt Eltern und Großvater
Jürgen, Erika und Jörn Husmann.DROCHTERSEN. Jörn Hussmann ist Landarzt aus Überzeugung. Der Drochterser führt die Praxis in der dritten Generation. Das ist heutzutage eher selten. Die Entscheidung, die Praxis seiner Eltern zu übernehmen, fiel bereits im Studium. Seine Assistenzarztzeit absolvierte der 40-Jährige an den Elbe Kliniken in Stade.„Ich gehöre zu den Menschen, die jeden Morgen gerne zur Arbeit gehen. Ich habe meinen Traumberuf gefunden“, sagt der Allgemeinmediziner. Er betreibt die Praxis seiner Eltern als Gemeinschaftspraxis mit seiner Mutter Dr. Erika Hussmann. Mit über 70 ist die Allgemein- und Kinderärztin noch voll aktiv. Und Vater Jürgen Hussmann (81) hilft hier und da noch mit aus. „Ich spiele ein bisschen die Feuerwehr in der Praxis“, sagt der Senior. Er fiel damals noch unter die längst aufgehobene Regelung, dass niedergelassene Ärzte mit 68 Jahren ihre Kassenzulassung zurückgeben mussten. Er durfte aber als Mitarbeiter seiner Frau weiter praktizieren. Sein Sohn kam erst 2008 in die Praxis und musste seine praktischen Jahre als Allgemeinmediziner noch absolvieren.Das Landleben und die viele Arbeit eines Hausarztes haben Jörn Hussmann nie geschreckt: „Ich bin hier aufgewachsen, bin hier zuhause.“ Und als Kind eines Landarztes wusste er genau, was auf ihn zukommt. „Dabei ist heute manches entspannter als früher“, erinnert Jürgen Hussmann, der noch zu Zeiten praktizierte, als die Hausärzte rund um die Uhr in Rufbereitschaft waren.Heute gibt es den von den niedergelassenen Ärzten besetzten Notdienst in den Elbe-Kliniken und den Fahrdienst. Ein- bis zweimal im Monat ist Jörn Hussmann dran, weil er auch den Dienst für seine Mutter mit übernimmt. Eine 60- bis 70-Stunden-Woche ist für den Junior genauso selbstverständlich wie früher für seine Eltern. Morgens um 7 Uhr öffnet die Praxis und an manchen Tagen schließt sie erst um 19 Uhr. Während der Mittagszeit stehen Hausbesuche an und abends muss auch noch Büroarbeit erledigt werden.Weil er aus Überzeugung Arzt ist, ist Jörn Hussmann zusätzlich auch noch als Palliativmediziner tätig. Er gehört zum Team der Hancken-Klinik, das Sterbende und ihre Angehörigen, die die letzte Lebensphase gerne zuhause in gewohnter Umgebung erleben möchten, betreut. Er ist dafür ständig in Rufbereitschaft – 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche.Die Hussmanns führen alle keine Klage über das anstrengende Leben eines Hausarztes. Auch würden sie nie auf die Idee kommen, ihre Praxis einmal im Quartal für mehrere Wochen zu schließen, weil sie wegen des pauschalierten Abrechnungssystems quasi umsonst arbeiten. „Das können wir den Patienten doch nicht antun und passt nicht zu unserer Auffassung von medizinischer Ethik“, positioniert sich der junge Arzt klar. Seine Eltern denken genauso. Jürgen Hussmann ergänzt: „Das ist so ähnlich wie mit den Privat- und Kassenpatienten. Wir haben da nie einen Unterschied gemacht.“Jürgen Hussmann kam 1972 mit 37 Jahren in sein Elternhaus zurück und übernahm die Praxis seines Vaters Herbert. Er baute damals eine heute noch moderne Praxis mit Wohnhaus. Sein Vater hatte die Praxis 1937 gegründet und bis zu seinem 70. Lebensjahr praktiziert. Wie für seinen Sohn Jörn war es damals auch für Jürgen Hussmann klar, dass er einmal der Nachfolger seines Vaters werden wird. Seine Frau Erika beendete zunächst ihre in Bremen begonnene Kinderfacharztausbildung 1974 in Stade und war danach in der Gemeinschaftspraxis tätig. (pa)