Alteingesessene Ottenser erinnern sich noch an die dicke weiße Katze im Fenster vor der Gardine. Da war auch noch das Haus weiß, eine kleine Spelunke war hier drin gewesen. Doch vor gut 22 Jahren war Schluss mit Arbeiterromantik, und zwei pfiffige Gastronomen schnappten sich die verwunschene Kaschemme mitten im Viertel, ersetzten altes Interieur durch eine hippe Cocktailbar plus Tanzfläche und strichen das Haus außen blau. Es war die Geburtsstunde des Blauen Barhauses.
Nun aber, Tausende Parties und wilde Wochenenden später, ist die Zeit eines der ältesten Häuser Ottensens gekommen. Ende März soll nun Schluss sein mit Cocktailrausch-Nächten und beatgetriebenen Liebesflirts. „Wir müssen raus, der Eigentümer will hier ein mehrstöckiges Wohnhaus hinstellen“, bestätigt Barhaus-Geschäftsführer Markus Kohne. „Ein weiteres Urgestein wird weggentrifiziert und macht Platz für den nächsten Ottenser Hipster-Tempel“, schreibt die Initiative Pro Wohnen Ottensen auf ihrer Facebook-Seite.
Klar ist auch der Wirt enttäuscht, mit seiner Kultbar geht auch ein Stück Stadtteilgeschichte verloren, die Gentrifizierung schreitet in Siebenmeilenstiefeln voran. 2010 war der alte Mietvertrag nicht verlängert worden, die Miete innerhalb weniger Jahre fast verdoppelt worden. „Das hat uns kalt erwischt“, berichtet Kohne, der den Laden 2003 übernommen hat. So sei auch klar gewesen, dass irgendwann die Kündigung kommt. Denn das Viertel ändert sich drastisch. Durch hohe Mietpreise werden alte Mieter verdrängt, neues Klientel bevölkert die Straßen des hippen, elbnahen Ottensen.
Doch Kohne nimmt es einigermaßen gelassen, denn das Barhaus stand unter schwierigen wirtschaftlichen Vorzeichen. Denn so urig und speziell die Bar auch ist, mit ihrer Madonnenstatue mittenmang und dem DJ-Pult auf einer Anhöhe, so schwierig ist das Einzigartige zu vermitteln. Nur in der kalten Jahreszeit sei die kleine Hütte regelmäßig voll.
Das Haus liegt in der Großen Brunnenstraße ein wenig abseits. Das Alleinstellungsmerkmal, hippe Bar im postindustriellen Umfeld, hat sie längst verloren. Mittlerweile spielt sich, ähnlich der Schulterblatt-Plaza in der Schanze, das Leben gerade im Sommer auf der bahnhofsnahen Bahrenfelder Straße ab. Auch wenn Kohne bei einer Mietvertragsverlängerung noch einmal reagiert hätte. „Dann hätte ich vier Wochen zugemacht und alles neu renoviert.“
„Alteingesessene Kneipen sind kaum mehr da“, schildert er die neue Gastrokultur. Die Stadtteile würden ihre bunten Punkte verlieren und Mainstream werden, bedauert Kohne. Auch die Politik habe keine Ahnung von Kneipenkultur, gute Konzepte würden aber billige Mieten voraussetzen. Doch ist auch Kohne, der neben dem Barhaus noch die Bar „3 Freunde“ auf dem Kiez und einen Eventservice betreibt, auf den Zug Kneipenkommerz und schickes Publikum aufgesprungen. „Gin Tonic mit gutem Gin kostet auch bei uns 14 Euro, da kommt schnell mal eine Rechnung von 100 Euro zusammen.“ Gegenüber einem Neubau schneide man hingegen wirtschaftlich schlecht ab, auch wenn der Besitzer nur vermieten, nicht verkaufen will.
„Klar sind wir eine Perle in Ottensen“, sagt Kohne, es sei schade, dass man weg müsse, „aber wie wäre es mit unserem Konzept weitergegangen?“, fragt er. So habe sich mit der neuen Wohnkultur – früher war in der ehemaligen Fabrik im Hinterhaus eine Kommune gewesen, heute sind es teure Eigentumswohnungen – auch die Beschwerdelage verändert.
Sorgen, dass die Gastronomie im Viertel ganz ausdörrt, macht er sich aber nicht. So werden in einem riesigen Bauprojekt, Zeise 2 genannt, gleich um die Ecke Büroräume für 850 Werber entstehen. „Da wird es dann um After-Work-Saufen gehen“, befürchtet Kohne.