Herr Senator, im Hamburger Hafen gehen die Umschlagzahlen deutlich zurück, die Elbvertiefung lässt auf sich warten, und obendrein verschlicken die Terminalzufahrten. Steckt Deutschlands wichtigster Hafen in der Krise?
Horch: Nein, Krise würde ich das nicht nennen. Der Hamburger Hafen ist wirtschaftlich nicht notleidend. Aber es ist eine ernstzunehmende Situation, an der wir arbeiten müssen.
Konkurrenten wie Rotterdam legen zu. Verliert Hamburg den Anschluss?
Nein, Hamburg gilt den Reedereien weiterhin als verlässlicher Partner. Rotterdam hat aber mit enormen Investitionen seinen Hafen ausgebaut. Zugleich merken wir, dass manche Großschiffe von Asien kommend nicht mehr Hamburg anlaufen, sondern direkt in die Ostsee fahren, etwa zum neuen Hafen in Danzig. Und auch geänderte Umläufe von Containerfrachtern durch Kooperationen zwischen Reedereien wirken sich aus.
Chinas Wirtschaft schwächelt. Wie sehr trifft das Hamburg?
China ist einer unserer Haupthandelspartner, deshalb spüren wir es deutlich, wenn die Warentransporte von dort zurückgehen. Das gilt auch für die Auswirkungen der Russland-Sanktionen. Insgesamt wächst der Welthandel nicht mehr in dem Maße wie bisher. Deshalb treffen die früher prognostizierten Wachstumsraten von zehn Prozent pro Jahr im Hafen aktuell nicht mehr zu.
Was muss Hamburg tun, um verloren gegangenen Boden zurückzugewinnen?
Wir müssen die Leistungsfähigkeit unseres Hafens weiter stärken. Ein erheblicher Anteil der Ladung ist direkt für die Metropolregion Hamburg bestimmt, das heißt, diese Schiffe müssen auf jeden Fall nach Hamburg kommen. Wir sind auch bei den Hinterlandverbindungen sehr stark. Dort gibt es erhebliche Zuwächse, vor allem über die Bahn. Damit lässt sich richtig Geld verdienen. Wir müssen unser Marketing anpassen und beispielsweise auch intensiv nach Südamerika schauen, um neue Kunden für den Hafen zu gewinnen.
Nicht gut aufgestellt ist der Hafen bei der Fahrrinnentiefe. Wann wird die Elbe ausgebaggert?
Zunächst einmal wird in diesen Zeiten immer deutlicher, von welcher außerordentlichen Bedeutung die Vertiefung und die Verbreiterung der Fahrrinne sind. Zum Verfahren: Wir haben bis Weihnachten die Stellungnahmen aller Beteiligten, auch der Umweltverbände, für die Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses eingeholt und arbeiten diese nun ein. Außerdem reichern wir die Unterlagen mit zusätzlichen wissenschaftlichen Gutachten an. Die Unterlagen gehen noch im ersten Quartal dieses Jahres an das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Dann liegt die Entscheidung wieder vor Gericht.
Wann rechnen Sie mit einem Urteil?
Das weiß ich nicht. Ich bin aber zuversichtlich, dass der Fahrrinnenausbau kommt. Und das nicht nur aus persönlichem Optimismus, sondern auch aus der fachlichen Beschäftigung mit dem Vorgang heraus und wegen der überragenden Bedeutung der Elbvertiefung für die gesamte deutsche Volkswirtschaft.
Die großen Mengen Schlick bereiten dem Hafen aktuell große Probleme. Welche Lösung haben Sie?
Wir befinden uns mit Schleswig-Holstein in sehr intensiven Gesprächen über die Verbringung von Sedimenten. Ich bin zuversichtlich, dass es im Frühjahr ein positives Ergebnis geben wird. Wichtig ist, dass es nachhaltig ist.
Die Containerfrachter werden derweil immer gigantischer. Hamburg als Hafen im Binnenland stößt an Grenzen. Muss sich die Stadt nicht auf eine Zeit nach der Welthafen-Ära vorbereiten?
Richtig ist, dass es eine weitere Elbvertiefung über die jetzt geplante hinaus nicht geben wird. In unserem Hafenentwicklungsplan findet sich deshalb auch die Aussage, dass Hamburg eben kein reiner Containerhafen ist, sondern ein Universalhafen, in dem auch Getreide, Kohle, Öl, Maschinen und vieles mehr umgeschlagen werden. Auch diesen Bereich werden wir gezielt ausbauen. Und wir wollen wieder mehr industrielle Fertigung und Veredelung im Hafen ansiedeln, um die Wertschöpfung der Flächen zu erhöhen.
Welche Rolle spielt das Umland in den Überlegungen?
Eine große. Wir arbeiten eng mit den Regionen an der Unterelbe zusammen, unter anderem mit den Häfen Stade-Bützfleth und Brunsbüttel. Dabei geht es häufig um das Thema Energiewende. Ein großer Erfolg ist in dem Zusammenhang die Ankündigung von Siemens, seine neue Fabrik für Offshore-Windanlagen in Cuxhaven zu bauen. Hamburg hat das ganz wesentlich unterstützt.
Warum siedelt sich Siemens nicht im Hamburger Hafen an?
Wir sagen klar: Nicht alles muss in Hamburg passieren. Für eine solche Produktionsstätte wären in der Stadt die Flächen nicht vorhanden. Auch reicht die Tragfähigkeit von Brücken bei Schwertransporten nicht aus. Es ist gut, dass die Fabrik in die Me-tropolregion kommt, das nutzt auch Hamburgs Wirtschaft.
Der UVNord fordert eine gemeinsame Industriepolitik von Hamburg und Schleswig-Holstein. Gute Idee?
Ja, aber die gibt es schon. Ich darf für mich in Anspruch nehmen, dass ich die regionale Entwicklung immer ins Zentrum meiner Politik gestellt habe. Es gibt inzwischen viele Kooperationen zwischen den norddeutschen Bundesländern, etwa die Life Science Nord für Biotechnologie, das norddeutsche maritime Cluster in Kiel sowie die gemeinsamen Aktivitäten der Ernährungswirtschaft im Süderelberaum.
Reicht das aus?
Selbstverständlich muss die Entwicklung bei der abgestimmten Industriepolitik weitergehen. Das tut sie auch. Etwa mit dem Netzwerk Chemcoast, bei LNG-Technik und 3D-Druck sowie bei allem, was mit Logistik in Verbindung steht. Auf der Grundlage kann ich mir eine Renaissance der Industrie im Unterelberaum gut vorstellen.
Hamburg hat Nachholbedarf bei der Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft. Tut sich da was?
Es ist richtig, dass andere Städte bei wissensbasierten Start-ups manchmal etwas voraus sind. Wir kümmern uns um das Thema: Mehrere Forschungs- und Innovationsparks sind im Aufbau, etwa der Windenergie Campus in Bergedorf sowie ein Forschungspark bei Desy und der Rüschpark auf Finkenwerder mit dem Zentrum für angewandte Luftfahrtforschung. Auch werden wir die Digitalisierung und die Internationalisierung der Hamburger Wirtschaft voranbringen.
Wir wichtig ist Tourismus für die Stadt?
Sehr wichtig. Tourismus bietet Wertschöpfung und Arbeitsplätze, und das in einer erheblichen Breite.
Manche Bürger empfinden die Touristenmassen als lästig.
Wir sorgen dafür, dass der Tourismus in Hamburg verträglich bleibt. Dazu gehört übrigens auch der Bau von Landstromanlagen für Kreuzfahrtschiffe, um die Luft in der Stadt sauberer zu machen.
Zeigt nicht das Olympia-Nein, dass die Bürger sagen: Nun ist mal gut mit Großveranstaltungen?
Ich glaube, das hat nicht den Ausschlag gegeben, da haben viele Aspekte eine Rolle gespielt. Für Großveranstaltungen gilt immer, dass wir eine gute Balance zwischen den unterschiedlichen Interessen finden müssen.
Wirft der Olympia-K.O. die ÖPNV-Ausbaupläne von S4, U5 und S21 zurück?
In keinster Weise. Wegen des anhaltenden Wachstums im öffentlichen Nahverkehr im Großraum Hamburg werden diese Großprojekte kommen. Dafür tun wir alles.
Der Senator ganz persönlich
Familienmensch und leidenschaftlicher Segler: Der Privatmensch Frank Horch
Meine Frau und meine beiden Töchter sind ...... außerhalb der beruflichen Tätigkeit meine wichtigste Verantwortung und der wichtigste Teil meines Lebens.
Mein Geburtstag bedeutet mir ... ... nicht sonderlich viel. Ich bin froh, dass meine Konstitution noch so gut ist. Ansonsten bedeutet mir ein Geburtstag mit großer Party wenig.
Glück ist ......wenn man von sich behaupten kann, für sich, seine Umgebung und die Gesellschaft etwas getan zu haben.
Visionen sind ...... in heutiger Zeit wichtiger denn je. Bei allen Bemerkungen, die andere zum Thema Visionen gemacht haben, glaube ich, dass wir ohne Visionen und Kreativität die Zukunft nicht gewinnen werden.Mein Lieblingsort in Hamburg ist ...Finkenwerder. Dort liegt mein Schiff schon viele Jahre. Mir gefällt die gediegene Eigenständigkeit von Finkenwerder. Und man kann von dort wunderbar auf die Hamburger Innenstadt schauen.
Ich könnte gut verzichten ...... auf den großen öffentlichen Auftritt und auf Äußerlichkeiten wie ein großes Haus. Seit ich in einer relativ kleinen Genossenschaftswohnung in der Hafencity lebe, ist mir klar geworden, wie wenig ich wirklich brauche.
Ich kann gut vom Job entspannen ...... auf dem Schiff. Jede Minute der Freizeit gehört meinem Schiff.
Mit Schleswig-Holstein verbindet mich ...... viel Freizeit. Der Lebensraum zwischen Nord- und Ostsee ist einer der attraktivsten in ganz Deutschland. Dort wird alles geboten. Deshalb habe ich auch einen Sommerliegeplatz für mein Schiff an der Ostsee.
Ich kann lachen ...Horch (überlegt lange): ... über hintergründige Bemerkungen. Über aufgesetzte Witze und TV-Shows mit vorbereiteten Gags kann ich nicht lachen.
Auf die Palme bringt mich ...... Unehrlichkeit und Charakterlosigkeit.
Meine größte Schwäche ist ...... dass ich ein bisschen ungeduldig und gelegentlich ein wenig pedantisch bin – etwa wenn es um die Ordnung im Auto oder im Schiff geht.
Meine größte Stärke ist ...... mein respektvoller Umgang mit allen Menschen. Das hat mir in meinem Leben bisher sehr geholfen.
Zur Person
Frank Horch wurde 1948 in Geversdorf bei Cuxhaven geboren und verbrachte fast sein gesamtes Leben auf der niedersächsischen Seite der Unterelbe. Bis er Senator in Hamburg wurde und deshalb dort einen Wohnsitz haben musste, lebte er in Buxtehude. Der studierte Schiffbauingenieur ist ein politischer Seiteneinsteiger, nachdem er zunächst mehr als 30 Jahre als Führungskraft in Unternehmen der maritimen Branche in Hamburg tätig war; zuletzt in der Geschäftsführung der Werft Blohm + Voss. Spaß an der Politik fand der zweifache Vater und leidenschaftliche Segler als Präses der Handelskammer Hamburg (2008 bis 2011). Der Wechsel des parteilosen Topmanagers ins Amt des Wirtschaftssenators im März 2011 war ein besonderer personalpolitischer Coup von SPD-Bürgermeister Olaf Scholz. (mlo)