Die Gründung kam nur deshalb zustande, weil Wilhelm Hancken einst beim Stader Krankenhaus abblitzte.
Die Geschichte der Hancken-Klinik beginnt in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg. Im November 1919 bezog Dr. Wilhelm Hancken eine Wohnung in der Stader Kirchhofstraße, heute die Albert-Schweitzer-Straße, und ließ sich als praktischer Arzt nieder. Die Ausstattung seiner Praxis bestand damals vor allem aus seiner Arzttasche mit Stethoskop, einigen Instrumenten, etwa Pinzetten, Skalpellen und Spritzen zur Versorgung von Wunden und Abzessen, Fläschchen mit Desinfektionslösungen, Schmerzmitteln und Narkotika, sowie dem wichtigsten Utensil aller praktischen Ärzte, der Geburtszange. Dazu noch ein Fahrrad für die Krankenbesuche.
Dieses karge Instrumentarium galt in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg als völlig ausreichend für die medizinische Versorgung der Landbevölkerung. Ärzte wurden in den meisten Fällen erst gerufen, wenn Hausmittel versagt hatten, die Patienten schwer krank waren oder Haus-geburten nicht vorangingen.
Für Hancken war diese Minimal-Ausstattung, die ihn bei Diagnostik und Therapie enorm einschränkte, schwer erträglich. Der gebürtige Himmelpfortener hatte seine Ausbildung an den fortschrittlichsten Kliniken seiner Zeit absolviert: Magdeburg, Berlin, Heidelberg. Während des Ersten Weltkriegs hatte er mit berühmten Chirurgen und Internisten des Kaiserreichs zusammengearbeitet. Er war erfahren in der Röntgenkunde, in der Labormedizin und durch viele Einsätze in der Versorgung verletzter Soldaten auch in der Chirurgie. Seine Fähigkeiten wollte er daher auch bei der Behandlung seiner Patienten in Stade einsetzen.
Doch als Hancken den Leitenden Arzt des Stader Krankenhauses aufsuchte, um die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit auszuloten, holte er sich eine Abfuhr. Dort waren die Mitarbeit des jüngeren Kollegen und seine neumodischen Methoden nicht erwünscht. Nach einigen erfolglosen Auseinandersetzungen mit der Krankenhausleitung begriff Hancken, dass er selbst die Initiative ergreifen musste, wenn er seine Patienten auf dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft untersuchen und behandeln wollte.
1932 konnte er das erste Röntgengerät in seiner Praxis in der Harsefelder Straße 8, wo er seit 1926 mit seiner Familie lebte und auch praktizierte, aufstellen lassen. Es war eine Anlage der neuesten Generation, mit der er sowohl Röntgenuntersuchungen als auch Strahlentherapien durchführen konnte.
Die Anschaffung dieser Anlage war nur die erste in einer Reihe von neuen Errungenschaften, mit denen der Mediziner die Versorgung seiner Patienten ständig verbesserte. Noch wenige Jahre vor seinem Tod 1957 führte Hancken mit großem Erfolg auch die Radiojod-Therapie gegen Schilddrüsenerkrankungen ein. 1949 hatte er zudem die Konzession für den Betrieb einer Klinik erhalten und konnte seine Patienten stationär behandeln. Wilhelm Hanckens Traum von einer modernen medizinischen Versorgung hatte sich erfüllt.
Seinem Sohn Gerd hatte Hancken allerdings ein wirtschaftlich schwieriges Erbe hinterlassen. Mit der Klinikkonzession und der fortschrittlichen radiologischen Ausstattung seines Instituts hatte Wilhelm Hancken zwar seiner Klinik einen hervorragenden Ruf in der Fachwelt verschafft, finanziell gründete sein Lebenswerk aber auf dünnem Fundament. Dr. Gerd Hancken, damals noch in der Ausbildung zum Radiologen, und seine Frau Lore verbrachten viele schlaflose Nächte, bis es ihnen gelang, den Fortbestand der Klinik und die Mittel für den notwendigen Ausbau zu sichern.
Schnell zeigte sich, dass das Leitmotiv seines Vaters („Dann müssen wir es eben selber machen“) auch zum Mantra von Gerd Hancken und seiner Frau werden sollte. Um den Mangel an medizinisch-technischen Assistentinnen (MTA) mit Schwerpunkt Röntgen zu beheben, gelang es Gerd Hancken 1962, die Verwaltungen der Landkreise Stade, Cuxhaven und Bremervörde von der Notwendigkeit der einer MTA-Schule zu überzeugen.
Sie blieben dem Motto auch treu, als ab 1972 eine neue Technologie, die Computertomographie, die radiologische Diagnostik zu revolutionieren begann. Mit Hilfe dieser Schnittbildtechnik konnten beispielsweise Organe überlagerungsfrei dargestellt werden. Die ersten Aufnahmen, die lange dauerten, weil der Computer viel Zeit für die Datenverarbeitung brauchte, ließen das ungeheure Potenzial dieser Technik nur er ahnen.
Bei einem Treffen im Spätsommer 1972 lehnten renommierte Radiologen, darunter Universitätsprofessoren und Chefärzte deutscher Kliniken, die Computertomographie wegen der schlechten Qualität ab. Doch Hancken, der die neuen Entwicklungen und die Veröffentlichungen in den Fachzeitschriften genau verfolgte, mochte sich der Meinung nicht anschließen. Ein Jahr später wurden Ergebnisse der ersten klinischen Einsätze veröffentlicht und die dreidimensionalen Aufnahmen boten den Ärzten völlig neue Perspektiven für die Diagnostik schwerer innerer Verletzungen und Tumorerkrankungen. Die technischen Fortschritte waren durch leistungsfähigere Computer möglich geworden, die Untersuchungszeiten hatten sich deutlich verkürzt.
Hancken war überzeugt, dass diese Technik auch im Elbe-Weser-Dreieck gebraucht würde. Er beschloss, ein CT für seine Klinik zu bestellen. Das war eine mutige Entscheidung, denn die neuen Geräte waren sehr teuer in der Anschaffung, im Betrieb und – wie sich nach der Inbetriebnahme 1976 bald herausstellte – auch sehr anfällig. Obwohl Technik-Crews des Herstellers ständig in der Hancken-Klinik präsent waren, gab es immer wieder höchst ärgerliche Ausfälle. Das erste Gerät wurde bald dann auch gegen eine Anlage der zweiten Generation ausgetauscht.
Der Bedarf an CT-Diagnostik wuchs ständig, in der Hancken-Klinik wurde ein Hubschrauberlandeplatz gebaut, um Schwerverletzte erst zur schnellen CT-Diagnostik in die Harsefelder Straße und dann ins Krankenhaus zur Behandlung transportieren zu können. Da die neue Röntgentechnik in der Traumadiagnostik immer wichtiger wurde, stellte die Hancken-Klinik 1990 ein zweites CT im damaligen Städtischen Krankenhaus in Stade auf und übernahm fortan auch den Betrieb der Anlage.
Im Vergleich zum Ringen um die Entscheidung für das CT waren die gleichwohl sehr teuren Anschaffungen von Linearbeschleunigern und Kernspintomographen eher unspektakuläre Ereignisse. Obwohl sie einen wesentlichen Beitrag leisteten, die Versorgung der Patienten zu verbessern und die Stellung der Hancken-Klinik als eines der führenden deutschen Institute für radiologische Diagnostik und Therapie zu festigen. Unter der Leitung von Gerd Hancken wurde eine Abteilung für medikamentöse Tumortherapie aufgebaut, für die Betreuung von Tumorpatienten nach Abschluss ihrer Therapie die Krebsnachsorge Stade e.V. gegründet. Die Hancken-Klinik wurde 1981 zusammen mit der Tumorklinik in Wehnde (Göttingen) zum Modellprojekt für die Einrichtung von Palliativstationen ausgewählt.
Als Gründerenkel Christoph Hancken 1994 die Geschäftsführung der Klinik übernahm, war er bereits Facharzt für Radiologische Diagnostik und bestens vertraut mit der damals neuen Kernspintomographie und der Digitalen Subtraktionsangiographie. In der Kieler Universitätsklinik, seinem Ausbildungsinstitut, hatte er die Position eines Oberarztes inne. Der Hancken-Klinik war er immer verbunden geblieben: In seiner Freizeit hatte er zusammen mit dem Hämato-Onkologen Dr. Alexander Scherpe ein damals völlig neues Computernetzwerk aufgebaut, um die ersten Schritte in Richtung einer digitalen Patientenakte zu machen. Mit dem System war es damals erstmals möglich, alle Arztbriefe über Jahre zentral zu speichern, was ein großer Fortschritt für das Haus war, weil so allen behandelnden Ärzten der Klinik die wichtigsten Informationen sofort zur Verfügung standen.
In den folgenden Jahren wurde dieses Netzwerk kontinuierlich erweitert: Die Hancken-Klinik eröffnete im nördlichen Elbe-Weserdreieck fünf weitere Niederlassungen für Diagnostische Radiologie und Nuklearmedizin. Noch bevor im Januar 1995 die Hancken-Praxis in Buxtehude unter der Leitung von Dr. Jörg Strache den Betrieb aufnahm, liefen die Verhandlungen mit dem Stadtkrankenhaus Cuxhaven, dann folgten weitere Praxen in Bremervörde, Lilienthal und Zeven.
Der Vorteil dieser Kooperationen waren die Möglichkeiten der sektorübergreifenden radiologischen Versorgung der Patienten: In der Abteilung konnten sowohl stationäre als auch ambulante Patienten versorgt werden, damit wurden die teuren Geräte besser ausgelastet. Die Krankenhausärzte hatten damit auch die Möglichkeit, bei stationären Behandlungen schnell auf ambulante Voraufnahmen zugreifen zu können.
Ein für die Klinik konzipiertes Datennetzwerk sorgt dafür, dass die Aufnahmen schnell befundet und an die behandelnden Ärzte weitergeleitet werden konnten. In Notfällen können Chirurgen bereits anhand der Aufnahmen die Operation planen, während der Patient noch im Krankenwagen oder Hubschrauber unterwegs ist. Die ständige Verfügbarkeit der digitalen Aufnahmen erspart zudem Doppelaufnahmen und die Suche nach Röntgenumschlägen, früher der Albtraum aller Radiologen.
Die Abteilung für Schnittbilddiagnostik in der Klinik Dr. Hancken wurde seit Mitte der 90er Jahre ständig weiter ausgebaut, weil Christoph Hancken früh erkannte, dass gerade die Computer- und Kernspintomographie die größte radiologische Herausforderung in der Zukunft in der Radiologischen Versorgung sein würde. Unter der Leitung von Dr. Wilhelm Ruempler wurde diese Abteilung in der Harsefelder Straße mit jeweils den aktuellsten Geräte-Generationen ausgestattet und sogar mit den Herstellern weiterentwickelt.
Eine neue Mammographie-Abteilung wurde 2005 unter Leitung des Klinikradiologen Dr. Thilo Töllner eingerichtet und erhielt den Zuschlag für die Durchführung des Mammographiescreening-Programms in der Elbe-Weser-Region. Dazu wurde extra ein Mammobil, eine fahrbare Röntgenstation, erworben, um möglichst wohnortnah die Mammographien zur Brustkrebsfrüherkennung anbieten zu können. Ebenso hat Hancken von Anfang an den Ausbau der Angiographie-Abteilung kontinuierlich gefördert. In dieser Abteilung im Elbe Klinikum Stade werden heute unter Leitung des Klinik Chefarztes Dr. Kersten Mückner nicht nur alle modernen radiologischen Verfahren angeboten, hier ist auch der zentrale Standort für die interventionelle Radiologie, wo Raucherbeine und Aneurysmen behandelt, aber auch schnelle Hilfe bei Schlaganfällen und Gefäßverschlüssen im Kopf geleistet werden kann und zusammen mit den Hämatoonkologen und Nuklearmedizinern der Hancken-Klinik spezielle lokale Tumortherapien durchgeführt werden.
Wie für seinen Großvater und seinen Vater ist es auch für Christoph Hancken selbstverständlich, dass die radiologische Ausstattung der Hancken-Klinik und der Praxen stets auf dem neuesten Stand ist. So wurden auch ein 64-Zeilen-Kardio-CT, ein 3-Tesla-MRT sowie ein PET-CT und zwei baugleiche digitale Linearbeschleuniger angeschafft. Seit Sommer 2015 verfügt die radioonkologische Abteilung, die unter der Leitung des Strahlentherapeuten Dr. Markus Herrmann steht, auch über ein 4-dimensionales PET-CT für die exaktere Planung atemgeführter Strahlenbehandlungen von Tumoren in hochsensiblen Bereichen.
Es ist der jüngste Meilenstein in der Geschichte der Hancken-Klinik – aber mit Sicherheit nicht der letzte.
Das Buch
„Die Hancken-klinik“ von Christiane Oppermann ist im MCE-Verlag erschienen und im Buchhandel erhältlich.