Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat auch Auswirkungen auf die Planungen für den niedersächsischen Teil der Elbquerung der Autobahn A 20 bei Drochtersen. Eine zeitliche Verzögerung soll dieser erneute handwerkliche Fehler der Planer nicht zur Folge haben. Es gibt aber eine Grundsatzdiskussion, ob die Landesbehörden mit dem komplizierten Planungsrecht überfordert sind und aus politischen Gründen die Planungen verzögern wollten.Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt gerade sechs Klagen gegen den von Schleswig-Holstein geplanten Teilabschnitt des Elbtunnels. Dabei hatten die Richter entschieden, dass es nicht ausreicht, einen sogenannten Fachbeitrag zur Wasserrahmenrichtlinie der EU nur den Klägern zur Verfügung zu stellen. Der Beitrag hätte öffentlich ausgelegt werden müssen.
Auch das Land Niedersachsen wird die Planungen für den Elbtunnel bei Drochtersen noch einmal überarbeiten müssen. Das bestätigte der Sprecher des niedersächsischen Wirtschafts- und Verkehrsministeriums, Stefan Wittke, auf TAGEBLATT-Nachfrage. Die Auslegung wird nachgeholt. Nach jetzigem Stand dürfte der frühestmögliche Termin des Baubeginns am Tunnel 2021 sein.
Das Verfahren gegen den niedersächsischen Teilabschnitt des Elbtunnels beginnt im Oktober. Die Fachleute im Ministerium gehen davon aus, dass der Fehler bis dahin behoben ist und vor Gericht dann keine Rolle mehr spielt. Auf niedersächsischer Seite klagen vier Parteien. Das sind der BUND, die Betreiber der Fähre Glückstadt-Wischhafen, drei Landwirte und ein Windkraftbetreiber mit zwei Anlagen. Diese müssten weichen, wenn die Autobahn kommt.
„Ich schärfe meinen Spaten schon für den Spatenstich“, kommentierte Niedersachsens Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies die Entwicklung. Er forderte die Opposition auf, das Projekt nicht schlechtzureden. Eine zeitliche Verzögerung aufgrund der fehlerhaften Auslegung befürchtet sein Ministerium nicht.
Sprecher Wittke: „Der Bund will bauen, wir wollen bauen, die A 20 wird gebaut“, sagte er gegenüber dem TAGEBLATT. Man beobachte das Verfahren in Leipzig mit großem Interesse und der nötigen Gelassenheit. Es gebe heutzutage kein Großprojekt, gegen das nicht geklagt werde.
Stades Landrat Michael Roesberg hat für die erneuten Schwierigkeiten kein Verständnis: „Eine solche Panne darf Behörden bei einem solch wichtigen Projekt nicht passieren. Ich finde das sehr ärgerlich.“ So vergehe Jahr um Jahr im Stillstand, und die Regionen litten darunter. Peinlich finde er den Hinweis aus Schleswig-Holstein, dass Niedersachsen auch noch nicht so weit sei, denn in beiden Landesregierungen sitze ein Koalitionspartner, der alles tue, um die Verfahren zu verzögern, so Roesberg in Bezug auf die offene Gegnerschaft der Grünen zur Küstenautobahn. Niedersachsen und Schleswig-Holstein werden rot-grün regiert.
Der Drochterser Landtagsabgeordnete Kai Seefried argumentiert ähnlich: „Es enttäuscht mich sehr, dass es jetzt bereits zum zweiten Mal ganz offenkundig durch Probleme in den zuständigen schleswig-holsteinischen Landesbehörden zu zeitlichen Verzögerungen kommt.“ Bereits im vergangenen Jahr hatte die Problematik des nicht berücksichtigten Adlerhorstes in Bad Segeberg zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen geführt.
Seefried: „Meines Erachtens muss man sich hier tatsächlich die Frage stellen, ob die Planung von Bundesautobahnen durch Landesbehörden heute noch der richtige Weg ist. Insbesondere mit dem Blick darauf, dass möglicherweise aufgrund der politischen Verhältnisse in den Bundesländern, die den Bau der Autobahnen nicht befürworten, die Planungen bewusst verzögert werden können – während der Bund wirklich seine Hausaufgaben gemacht hat und die A 20 sich jetzt komplett im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes befindet – stimmt mich die Situation in den Ländern immer wieder sorgenvoll.“
Eine politisch motivierte Verzögerung durch den Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen schließt dagegen die SPD-Landtagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der Regierungsfraktion, Petra Tiemann, aus. „Das ist Quatsch.“ Es gehe der CDU um das Vertuschen eigener Fehler aus der Vergangenheit.
Enak Ferlemann (CDU), parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und Bundestagsabgeordneter aus Cuxhaven, sieht auch eine zum Teil politisch gewollte Überforderung der Landesbehörde bei der Planung der Autobahnen. Beide Landesregierungen hätten die Zahl der Mitarbeiter für die Autobahnplanungen reduziert. „Wir streben deshalb die Gründung der Bundesautobahngesellschaft an“, sagte Enak Ferlemann gegenüber dem TAGEBLATT. Diese würde aus den Mitarbeitern der Landesbehörden und neuem Personal bestehen, das der Bund einbringen würde. Bei einer Anhörung im zuständigen Ausschuss des Bundestags hätten die meisten Experten diese Idee unterstützt, so Ferlemann. Um das durchzusetzen, bedarf es allerdings einer Änderung des Grundgesetzes. Bundestag und Bundesrat müssten dafür mit einer Zweidrittel-Mehrheit zustimmen. Laut Ferlemann im Bundestag angesichts einer Großen Koalition machbar, aber im Bundesrat bräuchte man für eine verfassungsändernde Mehrheit die Zustimmung von Ländern, in denen die Grünen mitregieren.